Vereinschronik

Gründung der Blaskapelle mit 10 Millionen Reichsmark

 

1923
Anlässlich der Fahnenweihe des Kriegervereins im Jahre 1923, bei der die Musikkapelle Meitingen als Festkapelle mitwirkte, entstand der Wunsch, in Ellgau selbst eine Blaskapelle zu gründen. Nach geraumer Zeit fanden sich 16 Interessenten zusammen, die ein Instrument erlernen und in der Kapelle mitwirken wollten. Als Musiklehrer wurde Musikmeister Wagner aus Augsburg engagiert, der auch bei den Nachbarkapellen Meitingen und Allmannshofen als Musiklehrer tätig war.
Bedingt durch die bereits eingesetzte Inflationszeit war das Vorhaben von Anfang an mit entsprechenden Schwierigkeiten verbunden. Die Instrumentenbeschaffung und die Erstausstattung an Notenmaterial, Notenständer und dergleichen belief sich auf rund 10 Millionen Reichsmark. Verteilt auf die 16 Interessenten hatte jeder rund 600.000 Reichsmark aufzubringen. Dies war nur den wenigsten möglich.
 
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Deshalb wurde Herr Philipp Lichti vom Herrlehof angesprochen und um ein Darlehen gebeten. Herr Lichti war schließlich der Gedanke an die Gründung einer Musikkapelle in Ellgau nicht unsympathisch. Daraus resultierend war er bereit, mit 6 Millionen Reichsmark als Darlehen das Vorhaben zu unterstützen. Die Instrumentenbeschaffung übernahm Herr Wagner. Bedingt durch die dennoch schwierige finanzielle Situation mussten großteils gebrauchte Instrumente beim Musikhaus Dolge in Augsburg beschafft werden.
Über die ersten Zusammenkünfte, die eigentliche Gründung der Kapelle, ist nur wenig bekannt. Lediglich, dass in Absprache mit der Gemeinde die Proben im damaligen Schulhaus (Standort, ehemalige Raiffeisenbank) abgehalten wurden. Als Sprecher bzw. Leiter der Kapelle wurde Mathias Dietrich als Ältester der Gruppe bestimmt.
In Besonderheit der Zeit musste forderungsgemäß das Honorar für den Musiklehrer mit je 1Pfund „Molkerei – Butter“ pro Schüler und Probestunde beglichen werden. Dies war auf die Zeit gesehen eine enorme Belastung. Ein Teil der Musikschüler konnte dies wöchentlich bei bestem Willen nicht aufbringen.
Interne Spannungen waren zwangsläufig die Folge. Bedingt durch diese Spannungen und einige begleitende interne Vorgänge kam es zur Beendigung des Unterrichtsverhältnisses mit dem Musiklehrer Wagner. Zwischenzeitlich wurde H. Lehrer Hupfer gebeten, die Proben abzuhalten, mit mäßigem Erfolg. Ja, der "Hupfer" war zwar Lehrer, aber eben kein Blasmusiker.
Mittlerweile war die Inflation auf dem Höhepunkt. Ein Hühnerei kostete im Tagespreis 600.000 Reichsmark. Der Ärmste wurde hier beinahe mühelos zum Millionär, andere zu Billionären. Das ehedem großzügige Darlehn des H. Philipp Lichti konnte praktisch mit 10 Hühnereiern zurückbezahlt werden. Herr Lichti hat dies jedoch nach überlieferten Aussagen mit einem Lächeln abgelehnt.
Ohne Musiklehrer oder sonst einer geeigneten Lehrperson kam nach einer gewissen Zeit Unruhe und Unsicherheit innerhalb der Kapelle auf. Diese Situation führte schließlich zu einer gewissen Neuformation. Als Leiter der Gruppe wurde Benedikt Wenninger bestimmt – oder wie man heute sagen würde – gewählt. Die Proben wurden wieder regelmäßig abgehalten und inzwischen war auch die Inflation vorbei. Das Musiklehrer-Honorar wurde nunmehr mit Rentenmark bezahlt.
Der erste öffentliche Auftritt der Kapelle war eine Geburtstagsfeier von Frau Lichti in Ellgau. Und weil das Ganze so schön war, wurde auf Wunsch der Jubilarin das Programm im Laufe des Abends „mehrfach wiederholt“.
 
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Einige Zeit später standen auch die ersten Marschproben an. Diese wurden außerhalb der Ortschaft auf der Straße zum Herrlehof abgehalten. Unkundige und spöttische Neider veranlasste dies zu dem Slogan „m - da - da - `s - Lechfeld na . Mit dieser zweifelhafter Reklame hatte die Kapelle einige Zeit zu leben. Während der ersten vier Jahre ist der größte Teil der Gründungsmitglieder nacheinander ausgeschieden, andere fanden sich neu hinzu.
 
1936
Benedikt Wenninger gab die Leitung der Kapelle an Bartholomäus Rieger weiter. Die Mitgliederzahl hatte sich zwischenzeitlich wieder vermindert, so dass die noch verbliebenen aktiven Musikanten in Riegers Küche Platz hatten. Damit war das Problem des Probenraumes auch vom Tisch und es wurde nachfolgend in der Küche des Dirigenten geprobt. Die Kapelle erfreute sich bei vielen weltlichen und kirchlichen Anlässen guten Zuspruches, gab es doch erst wenige Radios und Grammophone im Dorf und Musikhören war noch eine Besonderheit.
 
1939
Nach Beginn des 2. Weltkrieges wurde ein Musikant nach dem anderen eingezogen. Der Kapelle standen immer weniger Musikanten zur Verfügung. Benedikt Wenninger übernahm wieder die Leitung der Kapelle, deren Hauptaufgabe nunmehr die Mitgestaltung der Gefallenengottesdienste war. Nach Beendigung des 2. Weltkrieges bzw. nach der Rückkehr der Gefangenen trafen sich 1946 die Verbliebenen und beschlossen, wieder mit regelmäßigen Proben zu beginnen – natürlich wieder in Riegers Küche.
 
1947
Angeregt durch die Proben im „eigenen Haus“ wollte Richard Rieger 1947 auch bei der Kapelle „mitmachen“. Mit einer alten, gebrauchten Es-Trompete begann das Lernen. Dies sollte sich als ein wegweisender Schritt für die Blasmusik in Ellgau herausstellen. Im Herbst 1948 durfte er bereits beim örtlichen Bauerntreffen in „Wagners- Wirtsgarten“ mitspielen. Der „Kleine“ in der Kapelle bewog auch seine Schulkameraden Heinrich Malik, Georg Wiedenmann und Xaver Wenninger (jun.) dazu, es ihm gleichzutun.
 
1949
Im Herbst fand das 1. Kreis- Erntedankfest, die erste regionale Veranstaltung im Landkreis Donauwörth nach dem Krieg, im Wirtsgarten in Ellgau statt. Als Gastkapelle schickte die Fa. Dechentreiter auch ihre Werkskapelle, eine Formation mit damals schon ca. 25 Musikanten, gut im Spiel und der Star der Veranstaltung. Beim Umzug war auch der erste Prototyp des „Dechentreiter- Mähdreschers“ dabei, ein Maschinenungetüm, das viel Gesprächsstoff lieferte. Im gleichen Zeitraum begannen die Vor- und Hauptarbeiten für den Kraftwerksbau. Veranstaltungen in der Werkskantine, in Biehals Garten, bei Miller und Sailer in Nordendorf, als Begleitung der Feuerwehr zu Gründungsfesten in der Umgebung, das 2. Kreiserntedankfest in Buchdorf und 1. Feuerwehrfest in Brenders Stadel sowie Hochzeiten, Faschingsbälle, die Kapelle war in den Folgejahren sehr gefragt und damit auch ausgelastet.
 
1955
Mit etwas Verspätung beschloss die Kapelle, das 30- jährige Gründungsfest abzuhalten. Die Kapelle trat hier zum ersten Mal in Einheitskleidung auf. Veranstaltet wurde das Fest im "Wirtsgarten der Gaststätte Wagner". Als "Täfelebua" hat zum Beispiel Kurt Schafnitzel damals an der Musik Gefallen gefunden und fing an, ein Instrument zu erlernen.
 
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1960
Am 20. August 1960 verstarb Bartholomäus Rieger. Auf Wunsch der damaligen Mitglieder der Kapelle übernahm dessen Sohn Richard Rieger die Leitung. Richard Rieger bildete kontinuierlich Jungmusiker aus und übernahm sie in die Stammkapelle.
 
1975
Zusammen mit 15 Musikkapellen feierte die Ellgauer Kapelle in der Halle des Anwesens Lichti ihr 50- jähriges Gründungsfest. Musikalischer Höhepunkt war dabei sicher der Festumzug wie auch der Gemeinschaftschor. Wobei der Festabend in der regionalen Presse erstaunliches Echo fand. Grund war ein „Nonstop - Programm“ der Blaskapellen Ehingen und Westendorf. Auf zwei getrennten Bühnen wurde das Publikum ohne Pause unterhalten. Diese Idee wurde unseres Wissens erstmalig in Ellgau verwirklicht.
 
1985
Um die Lasten auf mehrere Schultern zu verteilen, insbesondere die Jugendausbildung, die fast ausschließlich Richard Rieger ehrenamtlich durchgeführt hatte, sowie aus haftungsrechtlichen Gründen, wurde 1985 der Musikverein Ellgau als gemeinnütziger Verein gegründet. Als erste Amtshandlung ernannte die Vorstandschaft das Gründungsmitglied Bartholomäus Schädle zum Ehrenmitglied.
Jahre vor der Vereinsgründung schon wurden die Musikproben im alten Pfarrhof und dann in dem von den Musikanten umgebauten Pfarrhofstadel abgehalten.
Bei der mittlerweile stattlichen Anzahl an aktiven Musikern wurde es schließlich zu eng. Aus diesem Grund mietete man sich im Vereinsheim des TSV- Ellgau ein.
Anlässlich einer Werbekampagne für Jungmusiker meldeten sich über 40 Interessenten. Die Ausbildung wurde vom damaligen Bezirksdirigenten Alois Mayer und den Musiklehrern Wolfgang Klaus und Karolina Wörle übernommen.
 
1987
Die Jungmusiker bekamen ihre erste Tracht und ab 1988 fanden auch erste größere Auftritte der Jungendkapelle statt. Die Leitung der Jugendkapelle übernahm Bernhard Eberhardt. Bereits 1990 wurde die Jugendkapelle in die Stammkapelle integriert.
 
Musikverein Ellgau 1987
 
1993
Eine besondere Ehrung fand im Anschluss an das Konzert der Kapellen der Verwaltungsgemeinschaft Nordendorf statt. Bartholomäus Schädle wurde vom Verein, der Gemeinde und dem Allgäu-Schwäbischen-Musikbund für 70 Jahre aktive Musikerzeit ausgezeichnet. Eine äußerst seltene Ehrung, welche auch in der heutigen Zeit nur sehr schwer erreichbar ist.
 
1994
Nach dem immer wieder aufkommenden Wunsch nach „etwas Eigenem“ bot die Gemeinde einen Teil des Dachraumes der Gaststätte „Zum Floß“ für den Ausbau als Musikheim an.
Nach den Plänen von Richard Rieger und unter fachkundiger Mitarbeit unserer Handwerksmeister sowie tatkräftiger Unterstützung aller Vereinsmitglieder gelang es nach relativ kurzer Zeit, ein neues Domizil zu schaffen, das akustisch wie räumlich den damaligen Anforderungen entsprach.
Die Materialkosten wurden durch Zuschüsse der Gemeinde sowie Spenden – größtenteils von den Musikerinnen und Musikern – erbracht. Um die Musikjugend weiter gezielt fördern zu können, wurde ein Förderverein ins Leben gerufen.
An diesem Verein beteiligten sich alle Musikvereine der Verwaltungsgemeinschaft Nordendorf. Den Nachwuchsmusikern wurde dadurch die Möglichkeit geboten, neben dem Einzelunterricht in einem Orchester Gleichaltriger zu musizieren.
 
1997
Für sein langjähriges Wirken in der Ellgauer Blasmusik ernannte der Musikverein Ellgau Richard Rieger mit seinem Ausscheiden als aktiver Musikant und Dirigent zum Ehrendirigenten. Erich Rieger wurde bei der gleichen Feierstunde zum Ehrenmitglied ernannt. Werner Schafnitzel hatte zwischenzeitlich seine Ausbildung zum Dirigenten an der Bayerischen Musikakademie in Marktoberdorf abgeschlossen und übernahm das Dirigat. Der Verein war froh, einen ausgebildeten und qualifizierten Nachfolger aus den eigenen Reihen gefunden zu haben.
 
1998
Wir gaben unserem Ehrenmitglied Bartholomäus Schädle die letzte Ehre. Es war ihm nicht mehr gegönnt, nachdem er beim 50-jährigen Gründungsfest wegen Krankheit nicht anwesend sein konnte, unser 75- jähriges Jubiläum mitzufeiern. So eng liegen Freud und Leid beieinander.
Unter dem Motto „75 Jahre Blasmusik in Ellgau“ feierten wir unter der Schirmherrschaft unseres Bürgermeisters Manfred Schafnitzel ein fröhliches Fest der Blasmusik. Viele Musikkapellen aus dem Umland trugen zum guten Gelingen bei. Höhepunkt war dabei sicherlich der große Festumzug mit vielen blumengeschmückten Motivwagen wie auch der Gemeinschaftschor in der Dorfmitte. Leider trug ein plötzlich auftretender Platzregen dazu bei, dass nur wenige Mitwirkende wie auch Besucher das Festzelt trocken erreichten. Die Feststimmung konnte dies allerdings nicht beeinträchtigen.
 
2004
Dirigent Werner Schafnitzel bat um seine Entlastung und Manfred Braun konnte als neuer Dirigent gewonnen werden. Werner Schafnitzel erklärte sich bereit, das Amt des Stellvertretenden Dirigenten zu übernehmen.
 
MV 2007
 
 
2011
Das Musikheim im Dachgeschoss des Gasthauses „Zum Floß“ entsprach nicht mehr den zeitgemäßen Ansprüchen. Ein Umbau war angedacht. In Zusammenarbeit mit der Gemeinde im Zuge der Dorfentwicklung ergaben sich jedoch neue Perspektiven. Der Bau eines Vereinszentrums wurde in Erwägung gezogen. Federführend erstellte Hans Ender ein Anforderungsprofil. Die Architektin Susanne Oefele fertigte Planentwürfe an und unser späterer Bauleiter, Dipl.Ing Martin Oefele die Berechnung der Kosten. Das Konzept und die Umsetzung wurde den Mitgliedern vorgestellt. Der Vorstand erhielt die Zusage, dass unter der Bauherrschaft der Gemeinde der Verein bereit war, diese Maßnahme maßgeblich umzusetzen. Um die daraus resultierenden Belastungen zu finanzieren, wurde der Jahresbeitrag verdoppelt und die Mitglieder zu solidarischem Handeln verpflichtet.
 
2014
Im Rahmen der ersten Lechtalserenade, zusammen mit der SGL-Werkskapelle Meitingen und dem Musikverein Thierhaupten wurde das Vereinszentrum mit einem Tag der offenen Tür und der Jugend seiner Bestimmung übergeben. Neben vielen Ehrengästen konnte hierzu der Präsident des Allgäu- Schwäbischen Musikbundes, Herr Staatssekretär Franz Pschierer begrüßt werden. In seiner Rede hob er die großartigen Leistungen der Gemeinschaft, die hervorragende Unterstützung der Gemeinde und Handwerker sowie der Architektin Susanne Oefele und des Bauleiters, Dipl. Ing. Martin Oefele hervor. Die Architektin sowie den Bauleiter zeichnete er für ihre ehrenamtliche Tätigkeit mit der Silbernen Fördermedaille des Allgäu- Schwäbischen Musikbundes aus.
Im Zuge der Neuausrichtung der Jugendausbildung der Musikvereine der Verwaltungsgemeinschaft Nordendorf wurde die Auflösung des Fördervereines und damit des Jugendblasorchesters  beschlossen. Viele Eltern und Aktive haben uns gegenüber bekundet, dass sie weiterhin in dieser Gemeinschaft bleiben wollen und uns gebeten, die Basis dafür zu schaffen, damit diese erfolgreiche Gruppierung weiterbestehen kann. Daraufhin haben wir unter unserer Organisation das Jugendblasorchester „Viva la Musica“ gegründet. Dieses Orchester entwickelte sich zu einem besonderen Klangkörper und lässt mit weiter konsequenter und zielgerichteter Arbeit guten Nachwuchs heranreifen. Auch Jungmusiker anderer Vereine finden bei „Viva la Musica“ eine Heimat und können später wieder in ihre Heimatvereine zurückgehen.
 
2015
Als Vorstufe zu unserem Jugendblasorchester und um den Einstieg zu erleichtern, gründeten wir ein Vororchester. Damit wollen wir erreichen, dass die Musikschüler schon sehr früh an die Vorzüge des gemeinschaftlichen Musizierens herangeführt werden und die Umsetzung dessen, was sie im Einzelunterricht vermittelt bekommen, erleben.
 
2016
Die musikalische Früherziehung ergänzt unser Angebot und ist als Vorstufe zum Erlernen eines Musikinstrumentes gedacht. Während dieser Zeit können sich die Kinder in Ruhe für das passende Instrument entscheiden.
 
Die Verantwortlichen des Musikverein Ellgau eV arbeiten stets an der Weiterentwicklung, immer mit dem Ziel, die Zukunftsfähigkeit zu erhalten und weiter auszubauen.